Die Rollen, die wir freiwillig spielen

 

Wir werden als unbeschriebenes und völlig wertungsfreies Wesen geboren. Während wir aufwachsen, entstehen unweigerlich Situationen, in denen wir reagieren müssen. Wir machen uns, wie Pippi Langstrumpf, „die Welt, wie sie uns gefällt“. Einige lauter und kraftvoller als andere. Einige passiver und leiser als andere. Andere wiederum wählen einen Mittelweg. Würden wir in einer wertungsfreien Gesellschaft leben, wäre der Text an dieser Stelle zu ende.

 

Allerdings sind wir von einer wertungsfreien Gesellschaft noch meilenweit entfernt. So viele Verhaltensregeln, Normen und Schablonen, wie wir sie heute anwenden, gab es in unserer Geschichte bestimmt noch nie. Nennen wir als eines der Beispiele einfach mal „den Knigge“. Was für Emotionen ruft es bei Dir, lieber Leser/liebe Leserin hervor, wenn Du an dieses Werk denkst?

 

Entschuldigung, ich komme mal wieder vom Thema ab. Zurück zu der im Augenblick gelebten Reaktion des Kindes. Befindet es sich in einer Umgebung, die in dem Moment die Reaktion ausdrucksstark als negativ bewertet und die Bewertung persönlich adressiert ist, wird es verunsichert und fängt an, an sich selbst zu zweifeln. Eventuell passiert eine ähnliche Situation ein weiteres Mal und die gleiche Wertung wird von der Umgebung ausgesprochen „Du bist...“. Nehmen wir als Beispiel „Du bist ein böses Kind“. Schon wurde dem Kind erzählt, wie es ist und es fängt an, daran zu glauben. Plötzlich hat das Kind eine Entschuldigung dafür, was es tut. Es ist doch böse. Die Umgebung hat es schon bewertet und somit lebt es sich sehr einfach und bequem. Es wird regelrecht von der Umgebung erwartet, dass man Böses tut.

 

Dies sind nur Rollen, die wir dann unser Leben lang weiter spielen, weil wir sie übergestülpt bekommen haben. Aber glücklich, wer dies erkennt!

 

Der erste Schritt aus diesem Schauspiel ist, zu erkennen, wann man etwas tut, was man eigentlich nur tut, weil es eine Gewohnheit geworden ist und weil man es nicht anders kennt. In dem Moment innerlich inne zu halten und zu Reflektieren ist ein großer Schritt in die richtige Richtung.

Zudem kann man, als „Umgebung“, anfangen, wertungsfreier zu leben. D. h. wenn Menschen sich nicht so verhalten, wie man es sich wünscht, nicht gleich „Du bist“-Botschaften senden, sondern positive Ermunterungen aussprechen. Z. B. den Spiegel vor halten und fragen, ob man diese Situation gerne anders gelöst hätte oder die positiven Seiten der Person hervorheben und sie loben. Einfach mal überlegen, was würde ich gerne in so einer Situation hören? Vielleicht weiß die Person nicht, dass sie jemanden verletzt hat? Vielleicht versteht sie es nicht? Hilfe anbieten. Helfe und Dir wird geholfen.

Und vor allen Dingen alle Situationen als Geschenk betrachten, weil sie einem die Möglichkeit bieten, daran zu wachsen und die Entscheidungsfreiheit zu nutzen, die uns das Leben bietet.

 

In diesem Sinne: Viel Spaß bei der Lösung von alten Rollen und ein glückliches und fröhliches neues Jahr!